Jobcenter beabsichtigt 30 % der Regelleistung aufzurechnen

  • Hallo zusammen,


    der Forderungseinzug der Bundesagentur für Arbeit hat meinem Jobcenter mitgeteilt, dass derzeit zwei Forderungen i.H.v. 540 € und 800 € gegen mich bestehen.


    Hier der Wortlaut des Jobcenters:


    Gemäß § 43 SGB II kann die Forderung gegen Ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld II bis zu 30 % der Regelleistung aufgerechnet werden.
    Wir beabsichtigen daher, von Ihren zustehenden Leistungen ab den nächstmöglichen Zeitpunkt monatlich 119,70 EURO zur Tilgung der Forderung einzubehalten.


    Hierbei handelt es sich um eine Anhörung, zu der ich Stellungnahme innerhalb von 2 Wochen abgeben kann und natürlich auch mache.
    Bei der einen Forderung von 800 € handelt es sich um ein Mietkautions-Darlehen, das ich vor ca. 5 Jahren erhielt.
    Von der anderen Forderung, weiß ich nichts.


    Das habe ich aus dem Netz gefunden:


    Aufrechnung bei Darlehenstilgung


    In diesem Fall darf die monatliche Aufrechnung bis zu 10 Prozent betragen - bezogen auf die auszuzahlende Summe aller Regelleistungen für die Bedarfsgemeinschaft. Es liegt im Ermessen des Amtes, den Prozentsatz festzulegen. So sind auch Aufrechnungssätze nahe Null möglich und - in Verbindung mit § 44 SGB II - kann das Amt die Darlehensschuld auch erlassen.


    Wichtig: Eine Aufrechnung zur Tilgung eines Darlehens ist dann - und nur dann! - zulässig, wenn es für einen Bedarf gewährt wurde, der der Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II zuzurechnen ist. In allen anderen Fällen, in denen ein Darlehen zurückgezahlt werden muss, ist eine Aufrechnung nicht zulässig.


    Das heißt konkret, dass in den nachfolgenden Fällen die Rückzahlung eines Darlehens erst fällig wird, nachdem der ALG-II-Bezug beendet wurde:


    - Darlehen für eine Mietkaution (§ 22 Abs. 3 SGB II)


    - Darlehensweise Übernahme von Mietschulden, um Wohnungslosigkeit zu vermeiden (§ 22 Abs. 5 SGB II)


    - Darlehensweise Leistungsgewährung für einen Monat, in dem voraussichtlich Einkommen zufließt (§ 23 Abs. 4 SGB II)


    - Darlehensweise Leistungsgewährung, weil Vermögen zwar vorrangig einzusetzen ist, aber nicht sofort verwertet werden kann (§ 23 Abs. 5 SGB II)


    Zu 2.) Rückforderungen aufgrund falscher Angaben und darauf folgende Aufrechnung


    In diesem Fall darf die Aufrechnung bis zu 30 % betragen – bezogen auf die Regelleistung der Person, gegen die das Amt einen Anspruch auf Erstattung oder Schadensersatz hat. Die Aufrechnung ist auf drei Jahre begrenzt.


    Wichtig: Eine Aufrechnung ist dann - und nur dann! - zulässig, wenn Leistungen zu unrecht gezahlt wurden ("Überzahlung"), weil der/die Leistungsbezieher/in "vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben" (§ 43 SGB II) gemacht hat. Es muss also ein aktives Fehlverhalten vorliegen.


    Wenn es der/die Leistungsbezieher/in hingegen "bloß" versäumt, eine Änderung (z.B. Einkommenszufluss) mitzuteilen, dann rechtfertigt dies keine Aufrechnung! Wohl aber die Rückforderung, die dann "stehen bleibt". Vorsätzlich handelt, wer wissentlich und willentlich - also zielgerichtet - falsche Angaben macht. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und selbst Dinge nicht beachtet oder bedenkt, die jedem einleuchten müssten.


    Liegt ein solches "Fehlverhalten" nicht vor, dann ist eine Aufrechnung nicht zulässig und rechtswidrig. Erst recht ist eine Aufrechnung natürlich rechtswidrig, wenn die Überzahlung auf einem Fehler des Amtes beruht.


    Also nochmal:


    - Wenn das Amt sich "verrechnet" und zuviel bzw. zu Unrecht Leistungen auszahlt, dann darf nicht aufgerechnet werden. Dies gilt selbst bei einer offensichtlichen Überzahlung, die der/die Leistungsberechtigte leicht erkennen kann.

    Ist eine Aufrechnung also rechtswidrig?

  • Nein, der Beitrag, den du da offensichtlich zitierst, deckt sich nicht mit dem Gesetz. Was aber nicht stimmt, ist, dass 30% aufgerechnet werden können. Wenn es 2 Forderungen sind, wären es maximal 20%, 30 können es nur sein, wenn die zweite Forderung zu denen gehört, die lt. Gesetzt mit 30% aufgerechnet werden dürfen, also grob gesagt, von dir schuldhaft verursacht wurde.


    Außerdem ist m. W. n. überhaupt erst beim BSG anhängig, ob der 2011 eingeführte § 43 überhaupt auf Rückforderungen/Darlehen aus einer Zeit vor 2011 anwendbar sind. Musst du mal bei den anhängigen Rechtsfragen des 4. bzw. 14. Senats des BSG nachschauen.

  • wie ist das eigentlich wenn Widerspruch eingelegt wird und das ganze vors Sozialgericht kommt.
    Kann mir das Jobcenter den Regelsatz um 30 % trotzdem aufrechnen bzw. kürzen, ohne das ein Urteil gefallen ist und bei einer evtl. Niederlage des Jobcenters, das Geld wieder zurückbucht?

  • Hallo zusammen,


    nach meiner Stellungnahme erhiehlt ich jetzt folgendes Schreiben vom Jobcenter.


    Zitat Jobcenter:


    Ihr Schreiben vom 27.04.2015 haben wir erhalten.
    Bei den 804,25 € handelt es sich tatsächlich um die Mietkaution aus dem Jahr 2009. Darlehen werden in der Regel gem. § 42a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 43 SGB II durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % der Regelleistung/en des/der Darlehensnehmer/s getilgt.


    Die Forderung in Höhe von 544,42 € resultiert aus zu Unrecht gezahlten Leistungen für den Monat Oktober 2012. Hierüber wurden Sie mit dem Rückforderungsbescheid vom 23.11.2012 informiert.
    Gemäß § 43 SGB II kann die Forderung gegen Ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld II bis zu 30 % der Regelleistung aufgerechnet werden.


    Wir beabsichtigen daher, von Ihren zustehenden Leistungen bis zur Tilgung der Gesamtforderung manatlich 119,70 € (30 %) zur Tilgung der Forderung einzubehalten.


    Sie können zu diesem Sachverhalt eine Stellungnahme abgeben. Diese muß innerhalb von 2 Wochen nach Erhalt dieses Schreibens bei uns eingegangen sein. Wenn wir innerhalb dieses Zeitraums keine Nachricht von Ihnen erhalten, müssen wir nach Sachlage entscheiden.


    Mit freundlichen Grüßen
    Im Auftrag


    Im Netz gefunden:


    Der § 43 SGB II begrenzt diese Aufrechnung aber auf Überzahlungen, die durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben erfolgt sind. In einem solchen Fall kann der Leistungsträger bis zu einer Höhe von max. 30% mit der für den Hilfebedürftigen nach § 20 Abs. 2, 2a und 3 SGB II maßgebenden Regelleistung aufrechnen. Sonst nicht, eine Rückzahlung oder Verrechnung ist dann ausschließlich freiwillig möglich.
    § 51 SGB I setzt in Abs. 1 pfändbares Einkommen voraus und in Abs. 2, dass trotz Verrechnung der Mindestbedarf nach SGB II oder XII gedeckt ist bzw. sein muss, was beides eine Verrechnung mit ALG II oder Sozialhilfe/Grundsicherung ausschließt. § 51 SGB I lässt sich also für Personen, die nur ALG II beziehen, nicht anwenden.


    Eine Aufrechnung nach §43 SGB II ist nur dann möglich, wenn dem Betroffenen nachgewiesen werden kann, dass er vorsätzlich und grob fahrlässig zu viel gezahlte ALG II Bezüge erhalten hat, weil er wissentlich falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat. Das ist auch dann der Fall, wenn der Betroffene ALG II Bezüge erhält, obwohl er bereits eine Arbeitsstelle aufgenommen und dies der Arge nicht mitgeteilt hat. Die Arge kann in solchen Fällen auch eine Strafanzeige stellen. Bei der Aufrechnung werden zu viel gezahlte Leistungen vom laufenden ALG II-Regelsatz abgezogen. Allerdings ist die Aufrechnung auf 30 Prozent begrenzt. ALG II Zuschläge werden in der Regel mit dazu gerechnet. Wurde jedoch die Aufnahme einer Arbeit rechtzeitig gemeldet und wurden auch alle Unterlagen fristgerecht eingereicht, so kann die Behörde keine Aufrechnung veranlassen. Eine Aufrechnung ist längstens auf 3 Jahre beschränkt.


    Da ich also nicht vorsätzlich und grob fahrlässig zu viel gezahlte ALG II Bezüge erhalten habe, weil ich wissentlich falsche oder unvollständige Angaben gemacht habe, kann das Jobcenter keine Aufrechnung veranlassen.


    Wie seht Ihr das?

  • Der § 43 SGB II begrenzt diese Aufrechnung aber auf Überzahlungen, die durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben erfolgt sind. In einem solchen Fall kann der Leistungsträger bis zu einer Höhe von max. 30% mit der für den Hilfebedürftigen nach § 20 Abs. 2, 2a und 3 SGB II maßgebenden Regelleistung aufrechnen. Sonst nicht, eine Rückzahlung oder Verrechnung ist dann ausschließlich freiwillig möglich.


    Das stimmt so nicht. Eine Forderung kann nur mit 30 % aufgerechnet werden, wenn Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ansonsten mit 10 %. Mehrere Forderungen können parallel aufgerechnet werden, aber in der Summe mit maximal 30 %.


    http://www.arbeitsagentur.de/web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/mdaw/mdk1/~edisp/l6019022dstbai378003.pdf?_ba.sid=L6019022DSTBAI378006

  • Eine Forderung kann nur mit 30 % aufgerechnet werden, wenn Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt
    Das Jobcenter darf also NICHT mit 30% aufrechnen, da KEIN Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt


    Das stimmt so nicht. Eine Forderung kann nur mit 30 % aufgerechnet werden, wenn Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ansonsten mit 10 %. Mehrere Forderungen können parallel aufgerechnet werden, aber in der Summe mit maximal 30 %.


    http://www.arbeitsagentur.de/web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/mdaw/mdk1/~edisp/l6019022dstbai378003.pdf?_ba.sid=L6019022DSTBAI378006