Neue Wohnung: Angemessen? Wann Grundsicherung beantragen?

  • Hallo liebes Forum,


    meine Schwiegereltern planen in eine neue Wohnung zu ziehen.


    Hier die Fakten in Kürze:


    Alte Wohnung:
    - ca. 70qm
    - seit ca 20 Jahren bewohnt
    - Tochter zieht nun aus
    - Sanierunsbedürftiger Altbau. Vermieter wechselt ständig und kümmert sich um nix.
    - für Rollstuhl oder gehbehinderte Person nicht mehr tragbar. Weder in der Wohnung noch Zugang. (nicht mal die Straße ist geteert, da das Haus eine alte Industriewohung ist und sonst niemand da wohnt.
    - Kosten rund 430€ warm. (wobei warm sehr relativ ist...)
    -Kinderzimmer (allein ca 18 qm steht nun quasi leer)


    Neue Wohnung
    - Baujahr 2008 (wird grade fertiggestellt)
    - Barrierefrei u Rollstuhlgeeignet (Fahrstühle, ebenirdisch etc)
    - 69qm
    - 690€ warm (538,2 kalt +Nbk)
    - gleichbleibende Nebenkosten da Erdwärme
    - 2 Zimmer, K,D,B


    Personen:
    1)
    - Rentner, 65 Jahre
    - seit 1998 schwer gehbehindert. Behindertenausweis mit Vermerk aG
    - Rente rund 500€


    2)
    - 64 Jahre
    - Arbeitet: rund 500€ Nettoeinkommen
    - Rente ab 09/2009 vorass 200 €
    - Kindergeld geht ans Kind (Azubi, wohnt bei evt. Auszug nicht mehr zu Haus)


    Bislang wurde keine Grundsicherung beantragt, da sie nicht mal Ahnung hatten, dass es sowas überhaupt gibt.


    Nun die Fragestellungen:
    - Ist die neue Wohnung angemessen? (laut Maßstab 60qm f. 2 Personen oder 2 Zimmer)
    - Wann sollten wir die Grundsicherung beantragen? Vor oder Nach dem Umzug?
    - Wenn die Beantragung vorher gemacht würde, würde das Amt evt Stress machen, warum man überhaupt umzieht? (Die Wohnung ist einfach furchtbar! - nur das kann man so ja schlecht sagen)
    - Welche Probleme könnten noch grob auftreten?
    -Wird die Grundsicherung bei geänderter Lebenslage (Einsetztende Rente v Person 2) angegelichen?


    Über Antworten würden wir uns sehr freuen.


    Viele Grüße,
    Peter

  • Hallo Peter,


    grundsätzlich steht einem 2-Personen-Haushalt eine angemessene Wohnung von bis zu 60m² zu. Daran bemisst sich, wie hoch die Kosten maximal sein dürfen. Eine Berechnungshilfe findest du hier. Ersetze bitte die 105m² mit 60m². Nach meinen Hochrechnungen sind die Kosten für die neue Wohnung (7,80 €/m² Kaltmiete) jedoch überteuert. Auch bei einem Neubau sind Warmmietpreise bis max. 8,00€/m² üblich.


    Da aber "Person 1" schwerbehindert, anhand des Merkzeichens "aG" davon auszugehen ist, dass Gehhilfen bzw. Rollstuhl von nöten sind, kann eine Wohnung bis zu 15% der ansonsten üblichen angemessenen Wohnung größer sein. Das heißt in diesem Falle, dass diese Wohnung soeben die Höchstgrenze von 69m² erreicht.


    Berechnung der Grundsicherung (Schätzungen):


    ....316 € (Grundbedarf Person 1)
    ..+316 € (Grundbedarf Person 2)
    ..+552 € (geschätzte KdU - 69m² x 8,00 €)
    =1184 € (Gesamtbedarf der BG)


    abgezogen werden davon:


    ....500 € (Rente Person 1)
    ....500 € (Einkommen Person 2, solang, wie dieses Einkommen tatsächlich erzielt wird)
    ....145 € (Kindergeld, solang das Kind nicht wirklich aus dem Haus ist bzw. das Kind das Geld direkt bekommt)
    =1145 € (Gesamteinkommen der BG)


    Daraus ergibt sich, dass deine Schwiegereltern evtl. einen Anspruch auf 39 €, bzw. wenn Kindergeld ausbezahlt wird auf 184 €, haben könnten. Hier ist aber festzuhalten, dass ich die Wohnungsberechnung geschätzt habe, wie sie hier bei mir üblich wäre. Sie könnte also geringer ausfallen, sodass auch der Anspruch geringer werden würde. Ein Mehrbedarf für Schwerbehinderte, der nur für aufwändigere Ernährung bei speziellen Erkrankungen gewährt wird, ist bei deiner Schilderung nicht erkennbar.


    Sowohl ein Umzug vor als auch nach der Beantragung der Leistungen wird Schwierigkeiten mit sich bringen.


    Sollte ein Umzug vor dem Antrag stattfinden, werden keine Umzugskosten und auch nicht evtl. Mietkautionen gewährt werden. Zu dem kommt noch, dass deine Schwiegereltern aus einer wesentlich günstigeren Wohnung in eine m. E. überteuerte Wohnung einziehen wollen. Hier könnte der Vorwurf gemacht werden, dass sie ihre Hilfsbedürftigkeit vergrößern.


    Sollte ein Umzug nach der Beantragung von Leistungen durchgeführt werden, wird der Umzug m. E. nicht genehmigt werden. Begründung: überteuerte Wohnung. Die Mehrkosten müssten deine Schwiegereltern aus den Einkommen (Rente+Einkommen+Minimalleistungen) bestreiten. Auch hier werden Umzugskosten nicht übernommen und die Mietkaution nicht gewährt werden.


    Daher ein Tipp: versuch mal für deinen Wohnort beim Mieterbund den genauen Mietspiegel für Neubauten zu erfragen. Evtl. könntest du den Mietpreis beim Vermieter drücken, da nur max. 20% über den ortsüblichen m²-Preis "erhöhte" Mieten rechtens sind (Mietwucher).

    Gerne helfe ich auch bei Fragen, die mir als "Private Nachrichten" zukommen. Ich bitte aber diese Möglichkeit auf Fragen zu beschränken, die personenbezogene Daten oder Ähnliches enthalten. Fragen, die auch die Allgemeinheit interessiern (könnten), bitte im Forum stellen.
    Gruss R.


    Tipp: Lasst Euch von mündlichen Aussagen eures SB oder FM nicht abschrecken, Anträge zu stellen. Antrag schriftlich stellen und auf schriftliche Antwort warten. :D

  • Hallo "TheNextOne",


    erstmal vielen lieben Dank für Deine Antwort. Hätte nicht damit gerechnet so eine ausführliche Antwort zu erhalten. Super!! :D


    In Deiner Antwort erwähnst Du, dass Person 2 auch einen Grundbedarf von 313€ bekommt. Soweit ich weiss, hat sie gar keinen Anspruch auf Grundsicherung, da sie das Alter von 65 noch nicht beendet hat und noch arbeitet. Oder bekommt der Ehepartner auch eine Grundsicherung, unabhängig, ob dieser noch normal arbeitet und noch nicht berentet ist?


    Auf eine Miteminderung seitens des neuen Vermieters können wir wohl nicht hoffen, selbst wenn diese über dem Mietspiegel liegt.
    Da ich nun alle Unterlagen durchgelesen habe (es waren eine Menge) kam raus, dass Person 1 schon längst eine Grundsicherung hat. (Ich dachte ich seh nicht richtig...) Jedenfalls ist diese mit 13€ nicht grade hoch. Diese Zahl konnte ich mir auch nicht erklären-. Leider fehlte die Berechnung komplett. Ärgerlich. Diese werde ich mir aber noch zukommen lassen. Die alte Wohnung wird komplett von beiden Personen aus eigener Tasche bezahlt. Ich konnte nicht erkennen warum dies so ist. Person 1 meinte nur, dass die Heizkosten übernommen wurden - mehr auch nicht. Bitte seh es mir nach, dass ich nur so vage Angaben mache, aber die Kombination aus Unwissen und Chaos der Personen lässt mir nichts anderes zu.


    Person 1 ist bekanntlich zu 80% schwerbehindert. Die alte Wohnung ist nicht mehr tragbar. Die Person kann weder zum noch im Haus "laufen". Es sind Treppen und Schwellen im Weg. Alles ist zu eng und klein. Weder kann sie allein duschen noch aufs Klo gehen. Quasi ist diese Wohnung nicht mehr für ihn tragbar.
    Darum hoffe ich, selbst wenn das Amt aus welchen Gründen auch immer nicht mehr Geld bezuschusst, den Wohnungswechsel über den Anspruch auf eine barrierefreie Wohnung durchzubekommen. Dazu stellt uns der Hausarzt eine Art Empfehlung eben für dieses Vorhaben aus und selbst schreiben wir eine Art Begründung. Letztendlich geht es sich nicht um die Umzugskosten etc, sondern um die Begründung und damit die Mehrkosten für das Amt. Ums in Zahlen zu fassen - rund 130€ monatlich. :confused:


    Was denkst Du über diesen Weg? Wir haben kommenden Mittwoch einen Termin.


    Viele Grüße und Danke im Voraus,


    Peter

  • Die Angaben zur Person 2 sind nur fiktiv, um den Grundbedarf errechnen zu können, also das, was beide mindestens haben müssen um Leben zu können.


    Da es sich bei meinen Berechnungen ob halt auch nur um vage Annahmen handelt, könntet ihr, eben auf Grund der Schwerbehinderung, auch mit der überteuerten Wohnung durchkommen. Ein Versuch ist es Wert. Ich wollte euch nur die Möglichkeit aufzeigen, warum euch evtl. die Wohnung nicht genehmigt wird. Und ihr dann "zusammenbrecht". Ich würde es euch wünschen, wenn es klappen würde. *Dolle Daumen drück*


    Ich würde euch aber raten, erstmal einen normalen Antrag zu stellen und dieser nur die einfache Empfehlung des Hausarztes, dass die derzeitige Wohnsituation nicht behindertengerecht ist und ein Umzug in eine behindertengerechte Wohnung ärztlicherseits angeraten wird, beilegen. Es kann jedoch passieren, dass der ärztliche Dienst der ARGE dies überprüft. Deswegen nicht zuviel schreiben!

    Gerne helfe ich auch bei Fragen, die mir als "Private Nachrichten" zukommen. Ich bitte aber diese Möglichkeit auf Fragen zu beschränken, die personenbezogene Daten oder Ähnliches enthalten. Fragen, die auch die Allgemeinheit interessiern (könnten), bitte im Forum stellen.
    Gruss R.


    Tipp: Lasst Euch von mündlichen Aussagen eures SB oder FM nicht abschrecken, Anträge zu stellen. Antrag schriftlich stellen und auf schriftliche Antwort warten. :D

  • Heute hatten wir den Termin im Amt und haben nochmal einen Ausdruck des letzten Grundsicherungsbescheides erhalten.


    Im Grunde waren die Zahlen korrekt. Nur frag ich mich, ob die Kosten für Unterkunft und Heizung auch mit bei einem Kind angerechnet werden. Quasi Person1 abzgl. Ehegatten abzgl. Kind? Das der Ehepartner anteilig abgezogen wird war mir klar; das Kind aber nicht. Ist dies korrekt?


    "die angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (bei nicht getrennt lebenden Ehegatten oder bei einer eheähnlichen Partnerschaft jeweils anteilig) " (§42. Nr2 SGB XII)
    Die Grundsicherung muss indes neu berechnet werden. Das Kind zieht nun aus dem Haushalt aus.


    Dann wurde noch gemeint, dass Person 2 anrecht auf Wohngeld hätte, da sie minder verdient.


    Grundsätzlich wurde die neue Wohnung begrüst, auch wenn diese teurer als die alte sei. Es müssen noch Unterlagen der Vermieterin eingeholt werden und dann wird entschieden. Die Amtsdame wollte sich beim Amtsleiter aber noch zurückversichern. Bin mal gespannt.


    Viele Grüße,
    Peter

  • Es klingt ja schonmal positiv. Die Neuberechung kannst du dann gerne mitteilen, die können wir dann hier prüfen.

    Gerne helfe ich auch bei Fragen, die mir als "Private Nachrichten" zukommen. Ich bitte aber diese Möglichkeit auf Fragen zu beschränken, die personenbezogene Daten oder Ähnliches enthalten. Fragen, die auch die Allgemeinheit interessiern (könnten), bitte im Forum stellen.
    Gruss R.


    Tipp: Lasst Euch von mündlichen Aussagen eures SB oder FM nicht abschrecken, Anträge zu stellen. Antrag schriftlich stellen und auf schriftliche Antwort warten. :D