Nicht eine von 6 Sanktionen des Jobcenters MK hielt der gerichtlichen Prüfung stand

  • Bericht eines Prozessbeobachters beim Sozialgericht Dortmund vom 20.09.2011


    In mündlicher Verhandlung wurde über die Rechtmäßigkeit zweier Sanktionen gegen einen heute 56jährigen Mann aus Hemer verhandelt. Dem Erwerbslosen war zur Last gelegt worden, er habe drei Termine bei seinem Arbeitsvermittler nicht wahrgenommen.


    In einem Fall hatte der Kläger nach eigenen Angaben erst gar keine Einladung erhalten, bei einem weiteren Termin hatte er sich aufgrund einer Magen-Darm-Erkrankung telefonisch abgemeldet. Anstelle einer neuen Terminvergabe, wurde der Mann unverzüglich sanktioniert.


    In der mündlichen Verhandlung wurde rasch deutlich, dass die Sanktionen ohne Rechtsgrundlage vollstreckt worden waren. Die Vertreterin des Jobcenters musste die Sanktionen aufheben und hat das Geld nachzuleisten.


    Bereits im Sozialrechtlichen Eilverfahren (SG Dortmund, Az.: S 33 AS 3869/10 ER, 13.09.2010) hatte die Beklagte vier rechtswidrige Einzel-Sanktionen gegen den Kläger aufheben müssen. Bevor er Hilfe beim Verein aufrecht e.V. fand, wurden dem Erwerbslosen bereits wochenlang alle Sozialleistungen vorenthalten. Der ganze Rechtsstreit ist auf der Seite http://www.beispielklagen.de/klage026.html ausführlich dokumentiert.




    Zweierlei Maß


    In zwei weiteren Klagen hatte sich das Jobcenter geweigert, die Vorschrift aus § 41 SGB II umzusetzen. Die bis zum 31.12.2010 geltende Rechtsnorm besagte, dass alle Bescheide auf volle Euro-Beträge auf- bzw. abzurunden seien.


    Auf die Frage des Vorsitzenden Richters warum dem rechtmäßigen Begehren des Klägers weder im Anhörungsantrag noch im Widerspruchsverfahren Folge geleistet wurde, kommentierte die Vertreterin des Jobcenters leise:
    „Aber es wurden nur die Rundungsfehler beanstandet“ und, dass sie „an interne Weisungen gebunden sei“.


    Der Vorsitzende Richter belehrte die Vertreterin des Jobcenters daraufhin, dass weder die erlassenen Bewilligungsbescheide noch die Änderungsbescheide den gesetzlichen Vorgaben genügen würden. Er legte der Beklagten auf, die Bescheide rechtkonform abzuändern und die Differenz anzuweisen.


    Ob zwei Klagen um einen Betrag von 2,90 € gerechtfertigt sind, kann man sicherlich unterschiedlich bewerten. Selbst der Anwalt des Klägers, Ralf Karnath, hatte klargestellt, dass er aufgrund der eindeutigen Sachlage fest mit einem Einlenken des Jobcenters im Widerspruchsverfahren gerechnet hatte.


    Weder im Überprüfungsverfahren des Klägers nach § 44 SGB X, noch in dem durch Rechtsanwalt Karnath betriebenen Widerspruchsverfahren wollte die Widerspruchstelle des JC MK ihre Rechtsauffassung aufgeben.


    Die Berufung auf „interne Weisungen“ gegenüber unmissverständlichem Gesetzestext machen jedoch verständlich, was auch die Pressestelle des Sozialgerichts Dortmund belegt: Mit einem klaren Abstand zu anderen Jobcentern ist das Jobcenter Märkischer Kreis für Klagezuwächse gegenüber dem Vorjahr von 27,8 % verantwortlich.
    http://www.sg-dortmund.nrw.de/Bekanntmachungen/Pressemappe_2011.pdf





    Kommentar


    Anders als im Strafrecht wo der Grundsatz der Unschuldsvermutung Geltung hat (Im Zweifel für den Angeklagten.), wird im Sozialrecht zunächst die Strafe ausgesprochen, der Vollzug derselben vollstreckt und eine Sanktion tief unter das soziokulturelle Existenzminimum umgesetzt. Besonders in der Gruppe junger Menschen unter 25Jahren geht die Sanktionierung bis hinein in die Komplettsperre, soweit, dass keine Leistungen mehr für Miete und Heizung erbracht werden. Der Betroffene, fällt komplett aus dem Krankenversicherungsschutz und nicht Wenige verlieren in der Folge ihre Wohnung, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen können. Andere leben in Isolation und Dunkelheit, weil auch der Energieversorger aufgrund von Zahlungsverzug die Leistung eingestellt hat.


    Wie hatte doch der Vorsitzende Richter in das erste Urteil formuliert:


    "Es darf erwartet werden und ist zu fordern, dass der Hilfebedürftige alles, was in seiner Macht steht, getan hat, um seinen Anspruch gegenüber der Behörde durchzusetzen. Dazu zählt selbstverständlich auch die Einlegung von zulässigen Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln."
    Sozialgericht Dortmund, Az.: S 33 AS 3869/10 ER, 13.09.2010



    Erste Hilfestellung bietet der
    Verein aufRECHT e.V.
    dienstags und donnerstags von 16:00 bis 18:00 Uhr
    im „Sozialzentrum Lichtblick“
    Am Bilstein 10-12,
    58636 Iserlohn
    Tel.: 02371/9729 860
    aufrechtev(at)gmx.de



    freitags von 10:00 bis 12:00 Uhr
    Hademare Platz 22
    vormals: Spielzeug Breer
    58675 Hemer
    Tel.: 02372/503944