Teil 2: nicht nur HIV sondern weltpolitik umfassend:

  • Man erinnert sich unweigerlich an Gerhard Schröders vollmundige Ankündigung der Agenda 2010, an die medienwirksame Inszenierung der Überreichung des Datenträgers (auf dem die Hartz-Gesetze abgespeichert waren) von Peter Hartz an den Kanzler. Vollmundig erklärte der Kanzler im Blitzlichtgewitter der Pressefotografen, das Ersatzheer an Arbeitskräften werde mit Hartz IV in Form gebracht, um bei dem zu erwartenden Aufschwung dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen zu können. Sozialhilfe (für Erwerbsfähige) und Arbeitslosenhilfe wurden zusammengefasst zu einer neuen Leistung: Arbeitslosengeld II, offiziell „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ gerne auch „Hartz IV“ genannt. Tatsächlich handelt es sich bei einem Großteil der Leistungsempfänger von Arbeitslosengeld II um Menschen, die aus verschiedenen Gründen gar nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen (können oder wollen), oder um Beschäftigte, die einen Hungerlohn erhalten und aufstockend Leistungen beziehen.


    Generelle Bezeichnung "Langzeitarbeitslose" irreführend
    Empfänger von Arbeitslosengeld II generell als Langzeitarbeitslose zu bezeichnen, wie in weiten Teilen der Medien und in Sonntags-Talkauftritten von Politikern üblich, ist irreführend. Nur ein geringer Teil der Leistungsberechtigten gerät allein deswegen in den fragwürdigen Genuss von Hartz IV-Leistungen, weil er zuvor gearbeitet hat, arbeitslos wurde und nach 12 bis 18 Monaten sein Arbeitslosengeld I ausgelaufen ist und der Arbeitslose noch nicht wieder „recycelt“ werden konnte. Im Rahmen der Agenda 2010 wurde die Zeitarbeit (auch Leiharbeit oder Arbeitnehmerüberlassung genannt) ausgebaut. Rot-Grün senkte die Steuersätze für Spitzenverdiener und brachte mit Rentenreform und Riester-Rente eine Sozialkürzung ungeahnten Ausmaßes über das Land. Dinge, die heute im Jahre 2012, im aktuellen Vorwahlkampf auf die Bundestagswahl 2013 von den SPD-Oberen angeprangert werden als seien sie des Teufels und nicht die Ausflüsse ihrer eigenen, früheren Politik. Der „Basta-Kanzler“, der „Kanzler der Bosse“ hat sich bei seinem jahrzehntelangen Marsch durch die Institutionen korrumpiert. Selbstgefällig und narzisstisch ließ er seinen Allerwertesten auf dem Sessel im Kanzleramt nieder, beseitigte mit Oskar Lafontaine den letzten Makroökonom aus dem Kabinett, posierte nebenberuflich im Designeranzug und mit Imponierzigarre im Wochenmagazin „Stern“, und ließ sich fortan vom Kapital durch die Manege treiben um sich am Ende seiner politischen Karriere vom Musterdemokraten und russischen Neuzaren Wladimir Putin auf einen noch bequemeren Sessel als den im Kanzleramt hieven zu lassen: ein Beratersessel bei Gazprom.


    Nachdem die Bundestagswahl im Herbst des Jahres 1998 Rot-Grün als Sieger hervorbrachte, ich befand mich gerade am Ende meines Studiums der Sozialarbeit, jubelten die Professoren und nebenberuflich Lehrenden an meiner Fachhochschule: jetzt wird alles besser, sozialer, gerechter. Auf meinen Einwand und meine Prognose hin, dass all jene sozialen Grausamkeiten, die von einer Kohl-Regierung gegen eine starke SPD-Opposition im Bund und Mehrheit im Bundesrat bis dato nicht durchsetzbar waren, in Kürze aber mit Kanzler Schröder kommen würden, erntete ich von den „Experten“ nur ungläubiges Kopfschütteln. Leider behielt ich recht.


    Nun wird immer wieder versichert, die Reformen seien unverzichtbar gewesen und hätten die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gesichert. Man stehe heute im internationalen Vergleich wirtschaftlich und die Arbeitsmarktstatistik (per Gesetz und dienstlicher Anweisungen manipuliere ich diese Statistik täglich) betrachtend besser da als vor den Reformen, besser da als Länder, die diese Reformen bislang versäumt hätten: Frankreich, Griechenland, Spanien etc. Durch alle Medien, über alle Kanäle wird diese Botschaft beständig auf die Bevölkerung abgeschossen. Wer dem nicht folgt, der wird als Antidemokrat, als Antieuropäer diffamiert. Doch das ist die Realität: Der Rückzug der Politik von der Macht, ihre Selbstentmachtung, und die damit einhergehende Machtübernahme durch das Kapital (also durch die wirtschaftlich Mächtigen und global Handelnden) presst in immer unverhohlener Weise das sogenannte Humankapital aus. Die Konzentrierung des Reichtums in wenigen Händen und die Umverteilung des gesamtgesellschaftlichen Reichtums nach oben lassen das Heer des „Menschenabfalls“ global anwachsen. Die dem kapitalistischen System immanente Expotentialfunktion des Wachstums und sein Zinssystem führen zu immer neuen Übernahmeschlachten. Übernommen werden dabei aber mittlerweile nicht bloß andere Unternehmen sondern ganze Volkswirtschaften.


    Hartz IV ist ein Baustein, ein Instrument zum Machterhalt der Besitzenden
    Die aktuelle Entwicklung in Europa, bei der ein Rettungsschirm den nächsten jagt und die Europäische Zentralbank bereits den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen ausgerufen hat, all dies bloß um angeblich die Märkte zu beruhigen, zeigt die unendliche Gier des Dämons Mammon. Der entfesselte Kapitalmarkt hat nun auch mit den von den Regierungen zu leistenden Bürgschaften endlich Zugriff auf das Steuereinkommen der Nationalstaaten, insbesondere Deutschlands als derzeit potentestem Bürge. Er diktiert, wo es lang geht: Lohnkürzungen und Sozialabbau in den Ländern, die unter den Schutz der Rettungsschirme flüchten wollen oder müssen. Es stellt sich nicht lange die Frage, wann auch dieser fette Happen Kapitals für die meisten schmerzhaft, für die Besitzenden aber gewinnbringend verschlungen, verdaut und in Form von weiteren Einschränkungen der Menschenrechte ausgeschissen sein wird.


    Die Kapitulation der Politik vor den wirtschaftlich Mächtigen konnte nicht treffender auf den Punkt gebracht werden als unlängst im Morgenmagazin des öffentlich rechtlichen Fernsehens durch den Auftritt eines FDP-Politikers, immerhin Mitglied des Bundestags. Befragt zu den Entscheidungen des Bundestags im Zusammenhang mit den Euro-Rettungsschirmen gab er zu, die wenigsten Politiker würden die Dinge in ihrer Komplexität verstehen. Er selbst nehme sich da nicht aus, anderenfalls säße er ja (besser bezahlt) in den Schaltzentralen der Banken.


    Hartz IV ist ein Baustein, ein Instrument zum Machterhalt der Besitzenden, zur Zementierung der wirtschaftlichen Ungerechtigkeit und Ungleichheiten, davon bin ich heute nach sieben Jahren der Mitarbeit in der Hartz IV-Maschine überzeugt. So wie es die IWF-Toten bei Unruhen gibt, wenn die Regierungen armer Länder gezwungen werden, die Lebensmittelpreise freizugeben und ihre Ordnungskräfte auf die Protestierenden schießen lassen, so wie es die Monsanto-Toten gibt, weil der indische Reisbauer durch zu kaufendes Saatgut und dazu passende Pestizide krank und überschuldet lieber den Freitod wählt, so gibt es die Toten aus der Hartz IV-Maschine: Menschen, denen in ihrer Verzweiflung nichts besseres einfällt, als sich selbst oder andere zu töten. Dem Täter aus Neuss musste klar gewesen sein, dass er durch seine Tat nicht nur das Leben eines anderen sondern letztlich auch sein eigenes kleines und (von den Mächtigen) beschissenes Leben zerstören würde. Er hatte in dieser Weltordnung keine Chance, und meine Kollegin leider auch nicht. (Name der Autorin der Redaktion bekannt)

  • @ Anni 63 - alles richtig, und was mich ganz besonders überrascht, das jemand der von Amtswegen doch eigentlich dem Dienstherrn verpflichtet ist, nicht nur diesen Durchblick besitzt, sondern scheinbar auch endlich mal den Mut hat dies in einem Forum zum Besten zu geben in dem oft genug von gleicher Stelle, seitens der nicht gleich denkenden Kollegen so mancher wirklich unverständliche Angriff auf die Leistungsbezieher von Leistungen zum Lebensunterhalt vollzogen wurde.


    Demnach könnte man ja die Hoffnung schöpfen das dort in den Dienstzimmern doch noch ein Wunder möglich werden könnte, nur schade das dafür erst Einbrüche in Arbeitsagenturen und Job-Center und vor allem ganz bedauerlich Angriffe und Übergriffe auf dort tätige Menschen, also Kollegen von Dir notwendig waren, damit endlich mal ein Anfang für ein Umdenken, dort und hoffentlich in möglichst vielen weiteren Dienstzimmern statt findet. Da Du einen wirklich globalen Blick auf die Dinge zu haben scheinst, nehme ich mal an das Du auch nicht unbedingt in der Hierachie dieser Verwaltung am Ende der Kette zu finden bist.


    Das sich die Politik vom Kapital benutzen lässt ist bis auf ganz wenige Ausnahmen rund um diesen Erdball Tagtäglich zu beobachten, in sogenannten Demokratien wird diese Abhängigkeit dahinter versteckt das dem Bürger eine Wahlfreiheit suggeriert wird, aber wie Du schon richtig festgestellt hast, das Kapital ist flexibel genug auch dem größten Widersacher entweder die Notwendigkeit zu Kompromissen oder zur Vernichtung vor Augen zu führen. Das Schlimmste für die Betroffenen, die man auch als Opfer dieses Systems bezeichnen könnte, dann noch gleich einen zweiten oder dritten Niederschlag erhalten, es also mit dem Verlust des Arbeitsplatzes längst nicht getan ist, wie Du es ja auch hier in Deinen beiden Treads bereits bemerkt hast. Wohin also mit dem ganzen angestauten Frust der dann auf die Opfer niedergeht. Irgendwann ist das Fass voll und wie ich immer sage, man kann jeden Menschen zu einem Gesetzesbrecher machen, und etwas anderes macht man mit den Menschen die in den Leistungsbezug geraten letztlich nicht! Ob das Endergebnis dann eine Tötung, von Mord würde ich da nämlich nie sprechen, oder ein anderes Gewaltdelikt ist, ist letztlich nur noch eine Frage der Hemmungen die besagte Täter zu überwinden haben, ich denke mal die wirklich starken Charaktere sind dann jene Typen die wie im Falle Deiner Kollegin als Einzeltäter aktiv werden, wohingegen die anderen sich nur an Aktionen beteiligen bei der die Masse eine Sicherheit und Schutzfunktion übernimmt. Das Problem, es trifft vom Grundsatz her leider dann nie die eigentlichen Verantwortlichen sondern auch dort nur jene die am Ende der Kette fungieren, so wie eben Deine Kollegin.


    Ich habe ja hier oft genug gelesen das man mir oder anderen immer sagt, wir würden uns das leicht machen weil ja die Schuld immer bei den anderen zu suchen sei. Im Grunde machen es die verantwortlichen der BA, siehe die Pressesprecherin auch nicht anders, nur das man das dann als Einzelfälle der breiten Masse der Öffentlichkeit zu verkaufen versucht.Hierzu stelle ich nur mal die Frage: Ist es nicht reine Absicht das jeder Leistungsbezieher, quasi für sich alleine kämpfend gegen einen übermächtigen, sagen wir ruhig Feind, namens Job-Center steht? Wo sind denn die unter Schröder versprochenen Reformen, die auch ein Umdenken bei den zuständigen Verantwortlichen bewirken sollten??? - Ganz ehrlich, ich vermisse jegliche Creativität bei der Um-und Aufgabengestaltung, dieses dafür zuständigen Personenkreises. Es reicht eben nicht, dem Kind einfach mal einen neuen Namen zu geben oder die Positionen und Pöstchen mit "Neudeutschen" Titeln und Rängen zu versehen. Was kommt den nach der Veramerikanisierung, werden in einigen Jahren diese Positionen dann gegen asiatische Titel getauscht, wenn man merkt das das Ganze nichts gebracht hat?


    Namen sind Schall und Rauch und ebenso sind Gesetze mit denen Menschen in etwas hinein gedrängt werden sollen ganz sicher kein Werkzeug der Demokratie. Die Anreize mit denen man Menschen in Arbeitsverhältnisse bringen könnte fehlen, dafür regiert die Angst und mit dieser versucht man ein Ziel zu erzwingen. Klar, die kann auch eine Reform darstellen - Gewalt war schon immer ein Weg mit dem Menschen andere Menschen zu einem Verhalten genötigt haben das ihrer Machtposition entsprechend als angemessen bezeichnet wurde. Warum aber, kennt eine Gesellschaft nur diese Form Ziele anzugehen?


    Der Grund ist wohl der das immer irgendwie doch nur eine Person letztlich das "Sagen" hat und damit dann die Geschicke aller steuert ob nun Diktatur oder Demokratie ! Auch ein Diktator regiert ja nicht die Massen alleine, sondern immer mit Hilfe von anderen Menschen, die auch den Anspruch hegen, an Entscheidungen nicht nur mitwirken zu dürfen sondern diese selbstständig treffen und auch umsetzen lassen dürfen.


    Dieses selbstständige Treffen von Entscheidungen wird aber im Regelbezug leider in sehr sehr vielen Fällen außen vor gelassen, es gehört ja nicht zur Zielsetzung und unter diesem Gesichtspunkt muss man sich fragen: Was macht denn dann die Reformen aus ???


    Der Begriff "Menschenabfall" ist vielleicht im ersten Moment dem Augenschein nach unpassend, aber ganz frei von Emotionen und dem was oft unter dem Begriff Ethik mit läuft betrachtet ist dieser Begriff gar nicht mal so unpassend. Du bist nichts, Du kannst nichts und "Bio" liegt in der Natur des Mensch seins. Wenn man zudem etwas nicht mehr braucht landet es meist im Müll oder anders ausgedrückt im Abfall. Hier mal eine kleine Anmerkung für meinen Freund "lacki" Müll-Entsorgung kostet auch Geld und gut recycled bringt der Müll auch noch Geld - etwas was seinem Ökonomischen FDP Verständnis bisher entgangen zu sein scheint! Es gibt also so gesehen keine Sozialschmarotzer !


    Die beiden Beiträge haben mir sehr gut gefallen, leider bezweifel ich das sich daraus etwas entwickeln wird das zu einer grundlegenden Veränderung in der Gesellschaft führen wird, insbesondere was das Ansehen von den Beziehern diverser Leistungen betrifft die im Sozial-Gesetz angesiedelt sind.


    Ein Sprichwort sagt: Der Fisch stinkt immer zuerst vom Kopf her wenn er vergammelt, nur diese Damen und Herren, hauptsächlich in der Politik ansässig stört das nicht, sie speisen auswärts und kommen nicht in die Situation sich den Magen oder sonst was zu verderben!!