Hier ein Fallbeispiel....ich hätte nicht gedacht, dass dies grundsätzlich möglich ist. Scheint aber in der Praxis eher schwierig zu sein, den Unterhalt von den Großeltern einzuklagen.
Ich finde es ehrlich gesagt unmöglich, dass es überhaupt geht!
Die Eheleute G sind stolze Großeltern ihres Enkels E. E stammt aus der gescheiterten Ehe ihres Sohnes S. Der Sohn S muss für E einen monatlichen Kindesunterhalt bezahlen. Jedoch kommt S seiner väterlichen Unterhaltspflicht nicht nach, so dass er von einem Gericht zur Zahlung des Unterhalts verurteilt wurde. Aber auch dann zahlte S nicht freiwillig, so dass die Mutter von E ein Vollstreckungsverfahren gegen S eingeleitet hat, aber auch dieses war erfolglos, da sich herausgestellt hat das S leistungsunfähig ist.
Das Enkelkind E möchte nicht auf Unterhalt verzichten und verklagt seine Großeltern auf Zahlung des Unterhalts anstelle von S.
Ist das möglich ?
Bedeutung für die Praxis
Das es einen Eltern-Kind-Unterhalt gibt ist allgemein bekannt. Durch die Thematisierung in Presse und Rechtsprechung in den letzten Jahren, ist es mittlerweile auch geläufig, dass die erwachsenen Kinder für ihre bedürftigen Eltern bei Anfallen von Heim- und Pflegekosten zahlen müssen. Das aber Großeltern für ihre Enkel zur Zahlung verpflichtet sind, wenn das eigene erwachsene Kind nicht zahlt, erscheint doch eher ungewöhnlich.
Dies ist aber dann möglich, wenn sich die Kombination ergibt, dass die Eltern der Enkel in Trennung oder Scheidung leben und aufgrund von Arbeitslosigkeit nicht in der Lage sind, für den Unterhalt ihres Kindes aufzukommen. Die Großeltern sind entweder berufstätig oder beziehen eine Rente, so dass diese über ein monatliches Einkommen verfügen. In Anbetracht der Tatsache, dass man als Großeltern in einem Alter ist, in dem man seine finanzielle Lebensplanung abgeschlossen hat, mag es für manchen eine Belastung sein, wenn er auch noch den Unterhalt für seine Enkel tragen muss. Nicht zu vergessen, dass es sich hier um einen finanziellen Posten handelt, der mit Sicherheit nicht im vornhinein einkalkuliert war.
Entscheidung
Grundsätzlich sind Verwandte in gerader Linie gesetzlich einander zu Leistung von Unterhalt verpflichtet.
In gerader Linie miteinander verwandt zu sein, heißt, dass die eine Person von einer anderen abstammt. So sind die Großeltern mit ihren Kindern und deren Kindern ,also ihren Enkeln in gerader Linie miteinander verwandt. So sind innerhalb der Verwandtschaftlinie der nähere Verwandte vor dem entfernteren Verwandten zur Leistung des Unterhalts verpflichtet. Ist der nähere Verwandte nicht in der Lage den Kindesunterhalt zu erbringen, so haftet der nachrangige Verwandte für diesen Unterhalt. Die Haftung des nachrangigen Verwandten nennt man wegen dieser gesetzlich festgelegten Rangfolge Ersatzhaftung oder Ausfallhaftung.
Da nun feststeht, dass die nachrangigen Verwandten, also die Großeltern im Rahmen der Ersatzhaftung den Enkeln gesetzlich zur Zahlung eines Unterhalts verpflichtet werden können, stellt sich die Frage, ob die Großeltern den Unterhalt in der gleichen Höhe wie die Eltern des Kindes zahlen müssen.
Dazu soll zuerst aufgezeigt werden, wie die Höhe des Unterhalts im Allgemeinen berechnet wird.
Grundsätzlich wird der Unterhalt unter Berücksichtigung des Selbstbehalts geleistet. Der Selbstbehalt umfasst nur Mittel, die der Unterhaltspflichtige zur angemessenen Deckung seiner Lebensstellung, also dem allgemeinen Bedarf entsprechend, benötigt. Die Höhe des dem Unterhaltspflichtigen verbleibendende Selbstbehalts wird in den Leitlinien der einzelnen Oberlandesgerichte festgelegt. Allerdings wird in diesen Richtlinien nur das vorrangige Verwandtschaftverhältnis berücksichtigt.
Der Selbstbehalt darf bei der Ermittlung des Unterhalts nicht unterschritten werden, dies ist ein Betrag der dem Unterhaltspflichtigen auf jeden Fall zusteht. Dies hat dann zur Folge, dass derjenige unter Umständen einen höheren Unterhalt zahlt, der einen geringen Selbstbehalt, aber dafür ein im Verhältnis hohes Einkommen hat, als derjenige der einen hohen Selbstbehalt hat.
Da der Vater des Kindes in dem vorliegenden Fall aufgrund seiner Leistungsfähigkeit nicht in der Lage ist den Kindesunterhalt zu zahlen, greift die Ersatzhaftung der G gem.§§ 1607 Abs. 2 i.V.m. 1603 Abs. 1 BGB.
So stellt sich die Frage, ob die G als Großeltern eine Unterhaltspflicht in der gleichen Höhe haben wie der S oder ob sie weniger als S zahlen müssen.
Der S muss als Vater des E grundsätzlich sein monatliches Einkommen für den Kindesunterhalt einsetzen. Er muss unter Umständen seine Lebensverhältnisse anpassen, da er verpflichtet ist für den Lebensunterhalt des Kindes aufzukommen. Diese Verpflichtung ist im Grunde so streng, dass der unterhaltsleistende Elternteil alles erdenkliche leisten muss, um damit das Einkommen des Kindes zu sichern.
Dagegen sind die G nur im Rahmen der Ersatzhaftung unterhaltspflichtig.
* Dies bedeutet, dass Ihnen ein höherer Selbstbehalt zugebilligt wird als dem vorrangigen Verwandten S. Denn die gesteigerte Unterhaltspflicht besteht nur in dem Verhältnis zwischen Eltern und Kind, nicht aber in den Fällen der Ersatzhaftung, also Großeltern/Enkel.
* Die G sind nicht verpflichtet, bei ihrer Lebensplanung eine Inanspruchnahme, die der natürlichen Gernerationenfolge widerspricht zu berücksichtigen. Denn zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme befinden sich die Großeltern regelmäßig in einer Situation, die es ihnen nicht erlaubt, durch weitere Unterhaltszahlungen eintretenden Einkommensausfälle anderweitig zu kompensieren.
* Die Großeltern brauchen im Gegensatz zu den Eltern der Enkel, keine spürbaren und dauerhaften Senkung ihres einkommenstypischen Unterhaltsniveaus hinnehmen, soweit sie keinen unangemessenen Aufwand dafür betreiben müssen. Dies hat dann zur Folge, dass die Großeltern für die Berechnung des Kindesunterhalts Positionen abziehen dürfen, die die vorrangigen Verwandten nicht abziehen dürfen.
* So darf zum Beispiel eine teure Wohnung beibehalten werden, da es niemand zugemutet werden kann, im Alter noch einmal umzuziehen oder es dürfen zum Beispiel Kredite für einen PKW abgezogen werden, wenn und soweit der Kredit sich im Verhältnis zu dem vorhandenen Einkünften in einer angemessenen Höhe hält und die Verpflichtung bereits eingegangen wurde, als der Unterhaltspflichtige noch nicht damit rechnen brauchte, auf Unterhalt in Anspruch genommen zu werden.
* Bei der Berechnung des Unterhalts, den G zahlen müssen ist zu berücksichtigen, dass es sich hier um eine Ersatzhaftung handelt. Großeltern müssen regelmäßig nicht damit rechnen, dass sie für den Unterhalt Ihrer Enkel in Anspruch genommen werden, da meistens das Einkommen der Eltern ausreicht, den Unterhaltsbedarf der Enkel zu decken. Deshalb können Großeltern grundsätzlich freier über ihre Einkünfte und deren Verwendung disponieren.
* Es muss auch berücksichtigt werden, dass die G bereits in einem Lebensalter befinden, in dem sich die Lebensverhältnisse bereits längerfristig dem Einkommensniveau angepasst haben. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass die Inanspruchnahme der Großeltern nicht der natürlichen Generationenfolge entspricht. Hinzu kommt, dass es schwierig ist in diesen Fällen den Eigenbedarf der Großeltern zu ermitteln, da dieser auch nicht in den Leitlinien der Oberlandesgerichte festgelegt wurden.
G müssen die Unterhaltspflicht auch nicht einfach hinnehmen. Immerhin hat E auch noch die Großeltern mütterlicherseits. So können G die Großeltern mütterlicherseits auf Darlegung der Einkommens- und Vermögenssituation verklagen. Da G neben den Großeltern mütterlicherseits gem. § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB in Form einer Teilschuld anteilig haften.
Somit haben G einen Auskunftanspruch gem. § 1606 BGB gegenüber den Großeltern mütterlicherseits, mit dem Ziel über die Einkommensverhältnisse dieser Großeltern Informationen zu erlangen, um sie unter Umständen in die Ersatz-oder Ausfallhaftung miteinzubeziehen.