20jähriges Problemkind

  • Hallo,


    hab ein großes Problem mit meiner 20jährigen Tochter. Sie ist dieses Jahr aus dem Gymnasium ausgetreten, da sie über ein halbes Jahr krank geschrieben war und somit das Klassenziel nicht erreichen konnte (12. Klasse). Sie ist vorher bereits einmal in der Oberstufe hängen geblieben und so hat sie nun keine Möglichkeit mehr, hier ihr Abi zu machen.
    Krank geschrieben war sie wegen psychischer Probleme, welche jetzt auch noch vorhanden sind. Sie ist eigentlich momentan nicht in der Lage die Schule zu besuchen, oder eine Ausbildung zu machen, noch zu jobben. Sie geht so gut wie nicht aus dem Haus (max. einmal im Monat). Termine beim Arbeitsberater, die sie auf mein Drängen hin gemacht hat, hält sie nicht ein.
    Zu Hause sitzt sie fast nur rum, hilft kaum bei der Hausarbeit (ich bin getrennt lebend, gehe Vollzeit arbeiten und habe außer ihr noch zwei jüngere Kinder zu Hause) und verbringt ihre Zeit mit Sport treiben (in ihrem Zimmer), am PC sitzen und spielen oder chatten. Sie hat außer online praktisch keine sozialen Kontakte mehr.
    Wir streiten täglich, ich möchte, dass sie wenigstens versucht, etwas an ihrer Lage zu ändern, aber sie blockt immer nur ab, weint, sagt sie würde ja, wenn sie könnte etc. pp. Ich wollte, dass sie zu ihrer letzten Ärztin geht, aber auch dorthin will sie nicht. Durch meine Bemühungen steht sie wenigstens bei einer Psychologin auf der Warteliste (und das kann lange dauern), eine andere hat abgelehnt sie zu behandeln, der Fall wäre zu kompliziert (meine Tochter war früher mal magersüchtig und ist noch immer essgestört aber momentan normal gewichtig).
    Ich weiß einfach nicht mehr was ich mit ihr machen soll. Das ständige Gestreite geht uns allen an die Nerven. Ich bin der Meinung, wenn sie auf eigenen Füßen stehen würde, müßte sie es schaffen aus ihrer Lethargie aufzuwachen. Denn dann kann sie sich nicht weiterhin einfach von vorn und hinten bedienen lassen... Ihr versteht sicher wie ich das meine.
    Kann mir jemand Tipps geben, was ich noch tun kann? Bin echt ratlos. Das Jugendamt interessiert sich für eine 20jährige nicht mehr wirklich. Könnte sie H4 beantragen? Geht ja sicher auch nicht. Weiß auch nicht, ob ich Unterhalt für sie zahlen müßte, bzw. wie ich das finanzieren sollte.
    Ihr Vater zahlt keinen Unterhalt, weil unter Selbstbehalt, auch nicht für die beiden anderen KInder. Und da er seine Steuerklasse nicht ändern läßt (auf 4), bin ich im Moment auf Steuerklasse 5 und bekomme so wenig ausgezahlt, dass ich noch einen H4-Zuschuss bekomme. Da ist sie natürlich eingerechnet. Das Kindergeld für sie fällt jetzt auch noch weg und ich werde das für die letzten Monate zurückzahlen müssen, weil sie keine Ausbildung angefangen hat. Ich weiß echt nicht mehr, was tun...


    Gruß

  • Also zunächst einmal: Deine Tochter scheint "richtig" richtig krank zu sein, und das Letzte, was ihr hilft, ist sie fallen zu lassen. Wenn sie Essgestört war und depressiv ist, hilft es ihr - aber absolut und überhaupt gar nicht -, wenn sie - wie du schreibst "auf eigenen Füßen stehen müßte", um aus ihrer - wie du weiter schreibst "Lethargie" aufzuwachen. Das ist ein glatter Rausschmiss und hilft niemandem, schon gar nicht einer 20jährigen jungen Person, die krank ist. Depressionen und/oder die genannten Störungen sind schrecklich; du treibst sie mit deinem Vorhaben (und ich hoffe, du hast das noch niemals ihr gegenüber geäussert) in eine Situation, die ich nicht näher erläutern muß und möchte. Irgendwie hört es sich insgesamt auch so an, als wäre dein Hauptproblem das Geld, kein Kindergeldmehr, kein Unterhalt und so weiter. Bitte suche - wenn das Jugendamt nicht mehr helfen möchte oder kann - eine soziale Einrichtung auf, die "deinem Kind" nicht auch noch den Boden unter den Füßen entzieht, sondern es weiterbringt. Es gibt Einrichtungen, in die solche traurigen depressiven Kinder wochen- oder gar monatelang aufgefangen werden und Gleichgesinnte kennenlernen und überhaupt wieder "leben" lernen. Dein Kind wurde "so" nicht geboren, sondern ist durch vermutlich viele Erlebnisse und Erfahrungen dahin gekommen, wo es jetzt ist. Die von dir als Lethargie bezeichnete Lebensweise kann eine tiefe Depression sein, und wer schon einmal wirklich depressiv war, weiß, dass man am Ende nichts mehr tut, tun kann; nicht mehr essen, keine Kontakte mehr, keine Tätigkeit, kein Schlaf, nur noch Sehnsucht nach dem Nichts. Bitte, bitte sieh das, was deine Tochter tut - oder eben nicht - als eine ganz ernst zu nehmende Krankheit, aus der man mit Hilfe seiner Familie oder guter und weitsichtiger Menschen auch wieder herauskommen kann, um ein normales Leben zu führen. Bitte!

  • Rausschmeißen ist das Letzte was ich tun möchte. Sie hat selbst zeitweise geäußert, dass sie ausziehen möchte. Du hast vollkommen Recht damit, dass sie depressiv ist. Sie sollte auch Medis dagegen nehmen, hat diese allerdings nicht vertragen und geht halt einfach nicht mehr zu der Psychaterin hin, diese hat daraufhin abgelehnt, sie weiter krank zu schreiben. Sie meint, sie solle eine Psychotherapie machen, aber meine Tochter rafft sich auch dazu nicht auf, bzw. es ist ja auch nicht gerade einfach (wie schon oben geschrieben) eine zu bekommen. Auf der Warteliste zu stehen ist eben keine Hilfe.
    Wenn sie mal mit einer Ärztin spricht, dann verstellt sie sich. Das hat sie auch getan, als ich sie im Sommer selbst einmal zum Arbeitsamt mitgenommen habe, damit sie mit dem Berater (für Jugendliche) spricht. Sie macht dann einen normalen Eindruck und niemand würde auf die Idee kommen, dass sie krank wäre. Unter diesen Umständen ist es sehr schwierig Hilfe für sie zu bekommen. Ich kann sie ja auch nicht einfach in die Psychatrie einweisen lassen. Ich wüßte jedenfalls nicht wie und ich hätte auch ein schlechtes Gewissen, wenn ich das tun würde.
    Du schreibst, es gibt Einrichtungen, was für welche sind das? Hier gibts in der Nähe nur eine Klinik, die Gesprächsgruppen anbietet. Aber das ist nichts stationäres und meine Tochter müßte täglich dorthin fahren. Du kannst Dir vorstellen, dass sie das einfach nicht tun wird.
    Es geht mir nicht ums Geld, das ist nur ein blöder Nebeneffekt. Es geht mir darum, dass sie lebensfähig wird, auf eigenen Beinen stehen lernt. Bevor ich mich von meinem Mann getrennt habe, sagte sie, das würde ihr helfen, aber es hat ihr letztlich überhaupt nichts gebracht. Mir schon, aber ihr halt nicht. Und ich hatte ihr das wirklich geglaubt. Naja...
    Also wenn das jetzt so rüberkam, dass es mir nur ums Geld geht, tut mir das leid. Meine Tochter ist mir nun wirklich wichtiger, normal... Aber kannst Du Dir vorstellen, dass der Ärger, Stress usw. mit ihr, der nun schon seit fast 8 Jahren an der Tagesordnun ist, an meinen Nerven zehrt? Ich versteh ja, dass es eine Krankheit ist, aber irgendwie muss ich doch was tun können...


    Gruß

  • Du, klar verstehe ich dich. Depressionen sind so gar nicht "greifbar" und insbesondere auch für die Angehörigen schlimm. Hat ihr denn nicht wenigstens eine Ärztin eures Vertrauens? Also als Beispiel - haben wir eine sehr (wie ich denke, gute), die meine Kinder schon sehr lange betreut, also seit dem Kleinkindalter, die bei solchen Dingen mit Rat und Tat zur Seite steht und insbesondere auch durch Nennung der richtigen Anlaufstellen, also Hinweisen dazu, hilft. Ich weiß, dass es in den meisten Gemeinden / Ämtern auch sowas gibt, wie beispielsweise "Erziehungsberatungsstellen", in denen Psychologen arbeiten. Erziehungsberatung heißt ja nicht, dass man dort wegen schwer erziehbarer Kinder hingeht, sondern eben genau auch aufgrund der Probleme, die du jetzt im Hinblick auf deine Tochter hast. Eine solche Einrichtung habe ich vor (sehr vielen) Jahren selbst einmal aufgesucht. Der Fall lag natürlich vollkommen anders, aber die Gespräche und Hinweise, wie man mit der Situation umgehen kann, waren richtig richtig gut und hilfreich und haben mich / uns sehr weitergebracht. Wenn du noch mehr darüber wissen wollen würdest, biete ich dir an, mir eine PN zu schreiben, weil ich noch mehr hier so öffentlich darüber nicht schreiben möchte. L.G. Lirafe

  • Hallo :)
    Ich wollte zu dem Thema auch gern noch ein paar Tipps loswerden. Ich habe in Einrichtungen für psychisch Erkrankte Menschen gearbeitet und erlebt, das immer mehr jüngere Menschen betroffen sind.
    Vielleicht wäre es gut, wenn du übers Internet oder ähnlichem mal schaust, was es so für Einrichtungen in deiner Umgebung gibt! In Kombination mit einer späteren Therapie ist sowas sicherlich hilfreich, das deine Tochter ihr Leben wieder in die Hand nehmen kann. Es gibt zum Beispiel sogenannte Tagesstätten. Dort lernt man wieder neu seinen Alltag richtig zu strukturieren. Man vereinbart Tage und Zeiten, wann man dort hinkommt. Es gibt natürlich Bedingungen die man einhalten muss, aber die werden an die jeweiligen Bedürfnisse der Betroffenen angepasst.
    Ich denke, es ist erstmal wichtig, das deine Tochter sich daran gewöhnt wieder regelmäßig irgendwo hinzugehen und zu lernen das einzuhalten. Sie wird dort auch Tätigkeiten ausüben, das kommt ganz auf die Einrichtung an, was dort angeboten wird. Wenn sie einen Schritt weiter ist, kann versucht werden Praktika außerhalb der EInrichtung zu machen, vielleicht mit Hinblick auf eine spätere Ausbildung. Aber immer mit der Unterstützung der Einrichtung.
    Eine andere Form wäre eine Werkstatt. Das ist quasie eine höhere Stufe. Dort würde sie zu vereinbarten Zeiten regelmäßig arbeiten gehen. Auch da lernt sie einen Alltag "auszuhalten". Und auch von da hat sie Chancen über Praktika ins normale Berufsleben einzusteigen. Gerade bei Jungen Menschen stehen die Chancen viel höher als bei älteren.
    Also scheu dich nciht, dich mal zu erkundigen und deiner Tochter dann auch mal von sowas zu erzählen. Wichtig ist aber in der Tat sie nicht unter Druck zu setzen. Sie muss es vor allem selbst auch wollen, sowas mal auszuprobieren. Lass dir Beratungsgespräche geben und nimm sie mit. Dann kann sie sich selbst ein Bild davon machen.
    Ich drück euch die Daumen, das es wieder bergauf geht!

  • Doriels Vorschläge sind ungefähr das, was ich meinte; sie hat wirklich gute Vorschläge gemacht und ich hoffe, dass du das für euch in Angriff nehmen kannst und wirst. Dabei wünsche ich dir Erfolg und auch ein Quentchen Glück. L.G. Lirafe