Zinsen nicht angegeben


  • Also nochmal und damit wirklich ein letztes Mal zur Systematik der Regelung in der Alg II-Verordnung:


    Gem. §1 Abs. 1 Nr. werden "einmalige Einnahmen und Einnahmen, die in größeren als monatlichen
    Zeitabständen anfallen" bis zu einer von 50 € nicht berücksichtigt, d.h., sie werden gar nicht als Einkommen behandelt. Gem. § 4 (Berechnung des Einkommens in sonstigen Fällen) werden Einnahmen aus Kapitalvermögen analog § 2 (Berechnung des Einkommens aus nichtselbständiger Arbeit) behandelt. Hier heißt es:
    "(4) Einmalige Einnahmen sind von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie
    zufließen. Abweichend von Satz 1 ist eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem
    Monat, der auf den Monat des Zuflusses folgt, zulässig, wenn Leistungen für den
    Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind. Einmalige Einnahmen sind,
    soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen
    angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden
    Teilbetrag zu berücksichtigen."
    Das bedeutet, dass Zinseinnahmen ab dem Monat des Zuflusses bzw. ab dem Folgemonat auf den restlichen Bewilligungszeitraum aufgeteilt werden.
    Natürlich werden Zinserträge als Einkommen behandelt, die über der Bagatellgrenze von 50 € liegen. Aber vom zu berücksichtigenden Einkommen werden gem. § 4 (Pauschbeträge für vom Einkommen abzusetzende Beträge) Abzüge vorgenommen, nämlich:
    "(1) Als Pauschbeträge sind abzusetzen
    1. von dem Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger und von dem Einkommen
    minderjähriger Hilfebedürftiger, soweit diese nicht mit volljährigen
    Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, ein Betrag in Höhe von 30
    Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11 Abs.
    2 Satz 1 Nr. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, die nach Grund und
    Höhe angemessen sind [...]"
    Der Unterschied zur Behandlung von Erwerbseinkommen wird in Nr. 2 desselben Absatzes behandelt:
    2. von dem Einkommen Erwerbstätiger für die Beträge nach § 11 Abs. 2 Satz
    1 Nr. 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
    a) monatlich ein Sechzigstel der steuerrechtlichen Werbungskostenpauschale
    (§ 9a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes)
    als mit seiner Erzielung verbundene notwendige Ausgaben; dies
    gilt nicht für Einkommen nach § 3 [...]"
    Dazu ist § 11 SGB II (Zu berücksichtigendes Einkommen) heranzuziehen. Hier heißt es in Abs. 2:
    "Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist an Stelle der Beträge
    nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen."
    In Satz 1 Nr. 3 werden Ausgaben für private Versicherungen genannt, die gem. Alg II-V mit 30 € monatl. abgesetzt werden.


    Das bedeutet im Klartext, dass Erwerbstätige 100 € monatl. absetzen können, Hilfsbedürftige ohne Erwebseinkommen (aber z.B. mit Zinseinkünften) dagegen 30 € monatl. Das ist der ganze Unterschied. Du musst die Alg II-V mal bis zu Ende lesen!


    Mag etwas komplizert erscheinen, ist aber im Grunde ganz einfach.
    Um auf meinen Fall zurückzukommen: Eine Überzahlung hat in keinem Fall stattgefunden. Im Raum steht lediglich eine mögliche Ordnungswidrigkeit, weil ich die Zinseinnahmen nicht angegeben habe.
    Infrage kommt hier SGB II § 63: Bußgeldvorschriften
    "(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
    [...]
    6. entgegen § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Ersten Buches eine Änderung in den
    Verhältnissen, die für einen Anspruch auf eine laufende Leistung erheblich ist,
    nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig mitteilt."
    In SGB 1 § 60 (Angabe von Tatsachen) heißt es:
    "(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat
    [...]
    2. Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder
    über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden
    sind, unverzüglich mitzuteilen [...]"
    Da meine geringfügigen Kapitalerträge für die Leistung aber nicht erheblich sind, dürfte strenggenommen gar keine Ordnungswidrigkeit vorliegen. Da also keine Überzahlung und damit kein Schaden eingetreten ist, dürfte schlimmstenfalls eine gebührenpflichtige Verwarnung bis 35 € drohen. Falls es dazu kommen sollte, muss ich mir überlegen, ob ich dagegen Widerspruch einlege und bei Abweisung ggf. klage.


    Du scheinst, was die Frage der Einkommensanrechnung in der Alg II-Verordnung angeht, den Unterschied zwischen 'Nichtberücksichtigung' und 'Absetzbarkeit' nicht verstanden zu haben. Bagatellbeträge werden nämlich gar nicht erst angerechnet, über die Bagatellgrenze hinausgehende, unregelmäßige Einnahmen (die nicht aus Erwerbstätigkeit stammen), können bis zu 30 € monatl. vom anzurechnenden Einkommen abgesetzt werden. Und wenn außer den Zinseinnahmen keine anderen Einnahmen vorliegen, wird die 30-Euro-Pauschale monatl. zur Gänze auf die ab Zufluss auf den verbleibenden Bewilligungszeitraum aufgeteilten Einkünfte angerechnet. Jetzt verstanden?

  • Hallo!


    Also bei meinem geschiedenen Mann waren es vor zwei Jahren(2009) auch nur 50 Euro. Er musste damals von den 70 Euro Zinsen über 20 Euro zurück zahlen.
    Aber kann ja auch möglich sein, dass es inzwischen eine neue gesetzliche Reglung gibt.


    Petra


    Hat Dein geschiedener Mann denn Erwerbseinkommen oder sonstige Einnahmen? Wenn er Erwerbseinkommen hat, können außer den 50 € für einmalige Einkünfte 100 € (statt der 30 € für nicht Erwerbstätige) abgesetzt werden. Die wären dann sicher schon auf das Erwerbseinkommen angerechnet worden, weshalb die die Bagatellgrenze übersteigenden Zinsen angerechnet werden würden.
    Hatte Dein Ex-Mann damals kein Erwerbseinkommen und auch keine sonstigen Einkünfte (außer den Zinsen), hat die zuständige ARGE nach meinem Rechtsverständnis einen Fehler gemacht, natürlich, wie nicht anders zu erwarten, zuungunsten des Kunden.
    Es könnte aber auch sein, dass er eine private Krankenversicherung hat, deren Prämie er in voller Höhe absetzen kann. In einem solchen Fall steht die 30-Euro-Pauschale, glaube ich wenigstens, nicht mehr zur Verfügung, kann also auch auf Zinseinnahmen nicht mehr angerechnet werden.

  • Nachtrag für alle Interessierten: Ich habe Post von der ARGE bekommen. Meine Auffassung hat sich bestätigt. Keine Rückforderung, kein Bußgeld, nichts. Nur der Hinweis, dass Zinseinkünfte anzugeben sind.


    Hallo Hauke,
    habe diesen älteren Post mal verfolgt, weil ich fast eine ähnliche Situation habe. Frage: hast Du alle Zinseinahmen angegeben oder nur die, die sie wissen wollten?


    Gruß


    Jesse

  • Zitat

    Hallo Hauke,
    habe diesen älteren Post mal verfolgt, weil ich fast eine ähnliche Situation habe. Frage: hast Du alle Zinseinahmen angegeben oder nur die, die sie wissen wollten?


    naja, der gute Hauke hat sich am 16.02.2011 hier das letzte mal angemeldet. Mittlerweile ist er mit Hilfe seiner Zinseinkünfte zum Casino-Besitzer in Las Vegas avanciert.


    P.S. es müssen übrigens alle Zinseinnahmen angegeben werden und nicht nur die sie wissen wollten. Wobei, die wollen natürlich alle wissen. Aber mach dir mal um deine paar Piepen kein Kopf, darüber lachen die sich tot!

  • Das hilft dir wenig. Selbst wenn das stimmt, dass der TE schreibt: dann hat das Jobcenter falsch entschieden. Die damaligen 50 Euro Jahr bzw. die jetzigen 10 Euro/Monat sind eine Bagatellgrenze und keine Freibetragsgrenze, d. h.: es dient einfach der Verwaltungsvereinfachung, der Gesetzgeber sagt schlichtweg: "Es lohnt sich nicht, so geringe Beträge anzurechnen.". Sobald aber diese Grenze überschritten wird, sind die Einkünfte VOLL anzurechnen.


    Das ist schon längst höchstrichterlich entschieden:


    https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=84446


    Zitat

    § 1 Abs 1 Nr 1 Alg II-V in ihrer ursprünglichen und nach § 6 Alg II-V idF vom 22.8.2005 (BGBl I 2499) auch im streitigen Zeitraum (September 2006) noch geltenden Fassung vom 20.10.2004 (BGBl I 2622) bestimmte, dass außer den in § 11 Abs 3 SGB II genannten Einnahmen einmalige Einnahmen und Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen anfallen, nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, wenn sie jährlich 50 Euro nicht übersteigen. Die Zinseinnahmen der Klägerin in Höhe von 818,05 Euro lagen weit über dieser Bagatellgrenze. Dies gilt selbst dann, wenn man die im September 2006 als einmalige Auszahlung zu erfüllende Zinsschuld der Bank auf die Laufzeit des Sparvertrages und damit auf drei Jahre aufteilen würde.


    Zitat

    2. Die Beklagte hat die im September zugeflossenen Zinseinnahmen der Klägerin in Höhe von 818,05 Euro zu Recht im vollem Umfang diesem Kalendermonat zugeordnet und keine Verteilung auf mehrere Monate (Verteilzeitraum, s Urteil des Senats vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R) vorgenommen.