Klage wegen mangelhafter Rechtsfolgenbelehrung im Einladungsschreiben zT. erfolgreich

  • Die Sanktionsstatistik der BA lebt von der Resignation der Erwerbslosen.


    Die vorliegende Beispielklage dokumentiert, dass bereits aufgrund formaler Fehler seitens der Jobcenter rechtsgrundlos sanktioniert wird. Bei den versandten Einladungsschreiben handelt es sich um reine Standartschreiben, wie sie Hunderttausendfach versendet werden. In dem Verfahren vor dem Sozialgericht Duisburg, Az.: S 41 (5) AS 4573/11 vom 25.01.2013 stellte die vorsitzende Richterin gravierende Mängel fest.


    Im Sitzungsprotokoll vom Erörterungstermin wird klargestellt:
    „Die Kammervorsitzende weist darauf hin, dass vorliegend Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Rechtsfolgenbelehrung in dem Einladungsschreiben vom 07.07.2011 bestehen.“

    Die Entscheidung hat in so weit grundsätzliche Bedeutung, weil das erkennende Gericht bei der Entscheidung die vom BSG eingeforderten Mindestansprüche an eine korrekte Rechtsfolgenbelehrung anlegt.


    Dabei geht es also nicht so sehr um die Frage nach den Versäumnissen der Klägerin, sondern vor allem an die formal-juristisch korrekten Anforderungen an behördlichen Schreiben.
    http://www.beispielklagen.de/klage043.html

  • Welche Entscheidung? Wenn es nur ein EÖT war, dann steht die Entscheidung noch aus oder aber die Klage wurde zurückgenommen bzw. der Beklagte hat ein Anerkenntnis abgegeben. In einem EÖT trifft das Gericht NIE eine Entscheidung in der Sache. Das ist der (mündlichen) Verhandlung vorbehalten.

  • Deine Kritik ist juristisch wohl korrekt. Es ist kein Urteil ergangen. Üblicherweise heißt es in solchen Zugeständnissen "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht".


    Für die Betroffenen sind diese Feinheiten jedoch völlig unerheblich.
    Wenn sich aber künftig 1000 Kläger auf dieses von privat veröffentlichte Sitzungsprotokoll und die Hinweise auf die BSG-Entscheidung beziehen und 5000 Betroffene merken, dass das Klagen bereits aus dem Grund erfolgreich sein kann, weil die Behörden regelmäßig schlampige Bescheide erlassen, dann hat sich diese Veröffentlichung aus meiner Sicht gelohnt.


    Immerhin reden wir über rechtsfehlerhafte Formschreiben wie sie Hunderttausendfach verschickt werden. Und alle falsch . . . ? Oder gibt es regionale Abweichungen?


    Da lohnt auch der Hinweis auf die verlogene und unbereinigte Sanktionsstatistik, die die erfolgreichen Einwände, Widersprüche und Klagen verschweigt.
    Wie viele Sanktionen wurden auf Grund solcher fehlerhaften Einladungsschreiben vollstreckt?
    Wie viele Überprüfungsanträge könnten noch helfen Geschädigten Ihr Geld zurückzubringen?
    Wie vielen Rechtsanwälten kann dieser kleine Hinweis hilfreich sein, die Rechtsinteressen Ihrer Mandanten erfolgreich durchzusetzen?


    Also in der Einladung nachschauen und die Rechtsfolgenbelehrung prüfen, Überprüfungsantrag stellen, Widerspruch und Klageverfahren betreiben, Geld zurückholen.


    Man kann aber auch juristisch völlig korrekt . . . am gesunden Menschenverstand vorbei argumentieren.

  • Ach du je... Niemand wird auf einen Auszug aus einem Sitzungsprotokoll eines niederen deutschen Gerichtes achten. Insbesondere, wo die Richterin wohl verkannt hat, dass das BSG nur zu den Rechtsfolgenbelehrungen bei 30% Sanktion Ausführungen gemacht hat und die Rechtsfolgenbelehrungen bei Sanktionen wegen Pflichtverletzungen völlig anders sind als die Belehrungen bei Meldeversäumnissen. Auch Richter irren, besonders in der ersten Instanz, sehr oft. Deswegen gibts ja auch noch die anderen Instanzen. Sie scheint ja allein schon missachtet zu haben, dass ab 1.4.2011 es für eine Sanktion völlig ausreichend ist, dass der Hilfeempfänger "Kenntnis" über die Rechtsfolgen hat. Er muss also nicht unbedingt schriftlich darüber belehrt worden sein.

  • And btw: Zu Meldeversäumnissen hat das BSG so entschieden:


    Zitat

    26 Die Meldeaufforderungen waren auch mit ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrungen versehen. Die Wirksamkeit einer solchen Rechtsfolgenbelehrung setzt nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG voraus, dass sie im Einzelfall konkret, richtig und vollständig ist und zeitnah im Zusammenhang mit dem jeweils geforderten Verhalten erfolgt, sowie dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in verständlicher Form erläutert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des geforderten Verhaltens für ihn ergeben, wenn für diese kein wichtiger Grund vorliegt. Diese strengen Anforderungen ergeben sich aus der Funktion der Rechtsfolgenbelehrung, den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen hinreichend über die gravierenden Folgen des § 31 Abs 2 iVm Abs 3 SGB II zu informieren und ihn in allgemeiner Form vorzuwarnen; denn nur eine verständliche Rechtsfolgenbelehrung kann die mit den Sanktionen verfolgte Zweckbestimmung, das Verhalten des Hilfebedürftigen zu steuern, verwirklichen (vgl BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 22 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen und BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - RdNr 19 ff, BSGE 105, 197, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, jeweils mit weiteren Nachweisen).


    27


    Diesen Anforderungen genügen die den Einladungsschreiben vom 28.9.2007 und 17.10.2007 beigefügten Rechtsfolgenbelehrungen unter Berücksichtigung der in den Absenkungsbescheiden vom 2.5.2007 und 18.10.2007 enthaltenen Belehrungen. Sie beziehen sich ausdrücklich nur auf die konkreten Rechtsfolgen bei Meldeversäumnis. Zwar erwähnen sie die Rechtsfolgen bei einer wiederholten Obliegenheitsverletzung dieser Art nur neben den Rechtsfolgen bei einer erstmaligen Verletzung. Der Kläger ist jedoch auch in den Absenkungsbescheiden vom 2.5.2007 und 18.10.2007 auf die konkrete Höhe der Minderung seines Anspruchs bei einer wiederholten Obliegenheitsverletzung hingewiesen worden, sodass er die Konsequenzen einer weiteren Meldeversäumnis auch hinsichtlich der Höhe der Minderung erkennen konnte.


    https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=138651&s0=Meldevers%E4umnis&s1=Sanktion&s2=Rechtsfolgenbelehrung&words=&sensitive=


    An diesen Belehrungen hat die Bundesagentur für Arbeit als zuständiger Träger für die Hard- und Software der zur Vermittlung in den Jobcentern der gemeinsamen Einrichtung verwendeten Software "VERBIS" bis heute nichts geändert.


    Wenn also die Richterin in der irrigen Meinung, das BSG Urteil zu den Rechtsfolgenbelehrungen bei Pflichtverletzungen sei auch bei Meldeversäumnissen heranzuziehen eine falsche Empfehlung abgegeben hat, bleibt zu hoffen, dass die Rechtsbehelfsstelle des betreffenden Jobcenters ihr unter Nennung obigen Urteils des BSG noch die Augen öffnen kann.

  • Das Klagebeispiel http://www.beispielklagen.de/klage043.html wurde inzwischen durch einige Zitate aus mehreren Entscheidungen des Bundessozialgericht untermauert.


    Nur wenn eine Rechtsfolgenbelehrung wirklich an den besonderen Einzelfall angepasst wurde, könnte sie möglicherweise stimmig sein. Da aber zumeist nur die falschen Rechtsfolgenbelehrungen übernommen werden, dürfte der überwiegende Teil der Eingliederungsvereinbarungen bereits aus formalen Gründen rechtswidrig, und damit angreifbar sein. Ohne Einzelfallprüfung dürfte dies nicht zu bewerten sein.